Bei der Suche nach einem solchen künstlerischen Gesamtkonzept für die Streichinstrumente entdeckte ich den Zusammenhang zwischen der Geige und dem menschlichen Körper: Ausgehend von dem Phänomen, daß ein guter Sänger jeden Teil seines Körpers als Resonanzraum
für seine Stimme aktivieren und dadurch den Klang gestalten kann, suchte ich nach vergleichbaren Zusammenhängen zwischen Klangqualität und den Einzelteilen der Geige. Angeregt schließlich durch die Beschäftigung mit der Osteophonie (l’art de l’écoute,
méthode Francois Louche), den Arbeiten von A. Tomatis und den Forschungen des russischen Geigenbauers Denis Yarovoi stieß ich auf eine genaue Entsprechung der einzelnen Teile des Instruments mit verschiedenen Teilen und Organen des menschlichen Körpers hinsichtlich
ihrer Resonanzfunktion.

Durch Hörschulungen wurde es mir möglich, mit dem eigenen Körper die Resonanzen der Geige zu erspüren. Bei der Erforschung der Analogie der Geige zum menschlichen Körper konnte ich feststellten, daß jedes Einzelteil eines Instruments einen Einfluß auf und eine
Bedeutung für den Klang hat, also auch die Teile, die normalerweise als bloßes technisches Zubehör (Saitenhalter, Wirbel, Griffbrett, usw.) oder als Schmuck (Schnecke) angesehen werden. Wenn nur eines der genannten Teile nicht auf das ganze Instrument abgestimmt
ist, bildet es einen Störfaktor für den Klang.

Die verschiedenen Resonanzbereiche des Instruments müssen jeweils für sich, wechselseitig untereinander und mit dem Musiker in Balance gebracht werden, um den bestmöglichen Klang zu erzielen.

Beim Neubau von Instrumenten habe ich die Möglichkeit, den Klang über die Holzauswahl, die Gestaltung der Wölbungen und deren Stärken zu beeinflussen. Dies ist bei einem fertigen Instrument natürlich nicht mehr möglich, aber ich habe die Möglichkeit, verschiedene
Zubehörteile auszutauschen oder vorhandene nach meinem System abzustimmen. Dabei arbeite ich mit minimalen Formveränderungen an diesen Teilen und einer von mir neu entwickelten Methode der Akupunktur.

Die Idee, Akupunktur zur Klangregulierung einzusetzen, entstand bei der Suche nach Möglichkeiten, die Abstimmung eines Instrumentes ohne Materialveränderungen zu beeinflussen, angeregt auch durch das Studium einiger Besonderheiten bei manchen klassischen
italienischen Instrumenten. Zur Beruhigung der Musiker möchte ich anmerken, daß ich bei der Anwendung der Akupunktur keine Teile des Instrumentes bearbeite, die für den Wert als wesentlich angesehen werden (Decke, Boden, Zargen, Schnecke mit Wirbelkasten und
Lack). Außerdem sind die Einstiche im einzelnen wegen ihrer Kleinheit kaum sichtbar. Über die Gestaltung des Steges und seine Abstimmung kann man z.B. sämtliche Klangbereiche beeinflussen. Der Steg spielt eine ähnliche Rolle für das Instrument wie die Ohrmuschel des
Menschen bei der Akupunktur. Er bildet das ganze Instrument ab und bietet daher zahlreiche Möglichkeiten der Klanggestaltung.

Im Einzelfall arbeite ich mit dem Musiker zusammen an seinem Instrument (besonders auch nach Erneuerung von z.B. Steg und Stimme), indem mir der Musiker die verschiedenen Klangbereiche vorspielt und wir diese gemeinsam bezüglich Ausgeglichenheit, Ansprache,
Präsenz des Tons, Lautstärke und Tragfähigkeit analysieren. Auch Problembereiche wie Wolftöne sollten benannt werden.

Dann bearbeite ich die einzelnen Register in kleinen Schritten und der Musiker überprüft jeweils den Erfolg der einzelnen Schritte, bis wir beide mit dem Gesamtklang zufrieden sind. Im Idealfall ergibt sich ein ausgeglichenes, voller tönendes und präsentes Instrument
in allen Registern. Mit einem optimal eingestellten Instrument wird auch der Zuhörer intensiver in das Klanggeschehen einbezogen.

Bisher habe ich mit dieser Methode sämtliche Streichinstrumente und Bögen (Geige, Bratsche, Cello, Bass) erfolgreich behandelt, außerdem Gitarren, E-Gitarren, Harfen, Klaviere undverschiedene Holz- und Blechblasinstrumente.

Eine Dokumentation der Veränderungen im Klangbild ist in Kooperation mit dem Musikwissenschaftler Prof. Dr. Rolf Bader (Uni Hamburg) entstanden. Resonanzprofile (graphisch) und Tonaufnahmen von vor und nach der Bearbeitung zeigen die Veränderungen, die
hör- und sichtbar nachvollzogen werden können.